Am Donnerstag, den 6.11.2025 findet im Gemeindeamt Kals am Großglockner die Verhandlung für ein weiteres Wasserkraftwerk in Osttirol statt, nämlich für das Kraftwerk Haslach am Kalserbach. Nachdem vom Land Tirol die naturschutzrechtliche Bewilligung für dieses Kraftwerk versagt wurde, hat die Gemeinde Kals Beschwerde gegen diesen Bescheid eingelegt. Zahlreiche NGOs haben gegen diese Beschwerde Stellungnahmen abgegeben. Zu wertvoll ist das, was auf dem Spiel steht, zu gering indes der Nutzen dieses Kraftwerkes.
Nun wird neu verhandelt, obwohl die Gründe der Abteilung Umweltschutz für die Ablehnung absolut stichhaltig sind.
So befinden sich innerhalb der Ausleitungsstrecke aber auch angrenzend an die Wasserfassung des Kraftwerkes wertvolle Kernhabitate der in Österreich vom Aussterben bedrohten Deutschen Tamariske (Myricaria germanica) und des europaweit geschützten Biotoptyps 3230 „Alpine Flüsse mit Ufergehölzen von Myricaria germanica“. Dabei handelt es sich um jenes „Schutzgut“ aufgrund dessen die Isel und Teile ihrer Zubringerflüsse 2017 zum Natura 2000-Gebiet erklärt wurden.
Baut man das Kraftwerk, so ist dieses Schutzgut hochgradig gefährdet. Flussaufwärts werden die Tamarisken-Bestände durch den Rückstau des Wassers infolge der Wasserfassung beeinträchtigt, in der fast 4 km langen Ausleitungsstrecke durch die Ausleitung von bis zu 90% des Wassers. In beiden Fällen ist kein ausreichender Geschiebetransport mehr gewährleistet, sodass sich kaum mehr neue Schotterinseln ausbilden können. Auf die ständige Neubildung derartiger Inseln sind jedoch die Tamariske und der Biotoptyp 3230 angewiesen. Verschwindet die Tamariske, so verschwinden auch zahlreiche weitere gefährdete Tier- und Pflanzenarten, die auf diesen Inseln vorkommen. In der Ausleitungstrecke wird das Laichen von Bachforelle und Äsche, aufgrund der geringen Restwassermengen, fast nicht mehr möglich sein.
Schon jetzt fallen Gewässerabschnitte im Bereich des bereits bestehenden Kraftwerkes im Mündungsbereich des Kalserbaches zur Isel trocken. Mit dem nun geplanten, flussaufwärts daran anschließenden Kraftwerk „Haslach“ wird diese Gefahr auf über ein Drittel der gesamten Flusslänge ausgedehnt. Fakt ist auch, dass die Teilpopulationen der Tamariske im gesamten Fluss-System „Isel und Zubringer“ in genetischem Austausch miteinander stehen. Gefährdet man die Populationen am Kalserbach, so gefährdet man auch jene an der Isel! Hat dieser Raubbau etwa Kalkül, damit man auch die Isel zerstören kann, wenn das Schutzgut des Natura 2000-Gebietes nicht mehr existiert?
Und wofür diese Zerstörung? Für ein Kraftwerk, das nur dann Strom liefert, wenn wir ihn nicht benötigen, nämlich im Sommer, wo wir in Tirol die höchsten Stromüberschüsse verzeichnen! Im Winter, wo wir den Strom benötigen würden, liefert das Kraftwerk nur etwa 10% der sommerlichen Menge. Für die Sicherung der Stromversorgung Osttirols ist dieses Kraftwerk somit sinnlos. Im Gegenteil: wird sich ein Gemeindekraftwerk wirtschaftlich lohnen, wenn heute schon absehbar ist, dass man in Zukunft für die Einspeisung von Strom in das Netz, zu Zeiten hoher Stromüberproduktion Einspeisetarife zahlen wird müssen?
Demgegenüber befindet sich der Zustand der österreichischen Fließgewässer in einem trostlosen Zustand. 5200 Wasserkraftwerke zerschneiden unsere Flüsse mittlerweile. In Osttirol allein sind es etwa 180. Laut einer Studie der BOKU Wien (2020) sind nur mehr etwa 15% der Fließgewässer in einem ökologisch sehr guten Zustand, in dem sich die Fische und andere Flusslebewesen auch noch fortpflanzen können. 60% der heimischen Fischarten sind daher gefährdet bzw. vom Aussterben bedroht.
Angesichts dieser Fakten sollten wir unsere Prioritäten nochmals gründlich überdenken, denn die zweite Bedrohung des Menschen neben dem Klimawandel ist das Artensterben. Rotten wir zu viele Arten aus, brechen unsere Ökosysteme zusammen. Die letzten intakten Fließgewässer brauchen dringend unseren Schutz und eines der schönsten von ihnen ist der Kalserbach!
Mag. Renate Hölzl, Obfrau, im Namen des Vereins Osttirol Natur
Literatur:
https://www.tiroler-fischereiverband.at/news/gewaesser-im-ausnahmezustand
https://www.fluessevollerleben.at/aktuelle-bedrohung-karte
Naturverträglichkeitserklärung (Egger G., 2020) zum KW Haslach am Kalserbach
